Israel und die Völkerwelt

Was es mit der Entscheidung „zwischen Babel und Zion“ auf sich hat

„Der Herr regiert als König – die Völker erzittern; er thront über den Cherubim – die Erde wankt! Der Herr ist groß in Zion und hoch erhaben über alle Völker. Loben sollen sie deinen Namen, den großen und furchtgebietenden – heilig ist er! –, und die Stärke des Königs, der das Recht liebt.“ (Psalm 99,1-4)

„Hört das Wort des Herrn, ihr Heidenvölker, und verkündigt es auf den fernen Inseln und sprecht: Der Israel zerstreut hat, der wird es auch sammeln und wird es hüten wie ein Hirte seine Herde.“ (Jeremia 31,10)

Die Verhältnisbestimmung zwischen Israel und der Völkerwelt ist ein biblisches Thema, leider wurde es im Verlauf der Kirchen- und Theologiegeschichte oft unterbelichtet oder verzerrt dargestellt. Mit der Wiederherstellung Israels ist ein neues Kapitel der Heilsgeschichtliche aufgeschlagen worden.

In diesen „Zeiten der Wiederherstellung“ ist der Heilige Geist dabei, uns neues Licht zu dieser Thematik zu schenken. Wie wir in den beiden genannten Bibelstellen erkennen können, hat die Berufung Zions mit der Völkerwelt zu tun. Dabei enthält die endzeitliche Rückkehr der Juden nach Israel eine spezifische Botschaft für die Völkerwelt. Sie lautet: Gott ist Israel treu und hält seine Hand über sein Volk, einschließlich seiner Bündnisse und Verheißungen. Was Gott mit Israel zum Segen für die Völkerwelt begonnen hat, wird Gott zum Segen für die Völkerwelt zum Ziel führen. Doch die Völker, die in babylonischem Hochmut gegenüber Zion verbleiben, wird Gott richten. Was ergibt sich daraus für uns Christen für eine Verantwortung und Aufgabe?

Noahbund, Babylon und Abrahambund

Die biblischen Grundgesetzmäßigkeiten im Verhältnis Israels zur Völkerwelt finden sich in 1 Mose 8 – 12. Dort wird berichtet, wie Gott nach der Sintflut einen Neuanfang mit der Menschheit machte – einen Neuanfang des Segens, der Güte und des Wohlwollens (Noahbund). Das Symbol dieses Segensbundes ist der Regenbogen. Unter dem Zeichen des Regenbogens entstand die Völkerwelt: 70 Nationen erwuchsen aus den drei Söhnen Noahs und deren Frauen.

Doch einige Generationen später rebellierte die Völkerwelt gegen Gott. Die Menschheit wollte sich einen eigenen Namen machen:

„Wohlan, lasst uns eine Stadt bauen und einen Turm, dessen Spitze bis an den Himmel reicht, dass wir uns einen Namen machen …“ (1 Mose 11,4)

Diese babylonische Rebellion und Hybris, dieser babylonische Geist ist durch die Geschichte hindurch bis heute eine Versuchung für die Völkerwelt. Was ist mit dem „Geist Babels“ gemeint? Die wichtigsten Merkmale des babylonischen Geistes oder der „Hure Babel“, wie es in der Offenbarung heißt, können umrissen werden mit: Gottlosigkeit, Stolz, Manipulationskraft, militante Dominanz, antichristlicher Synkretismus, Antizionismus sowie die Kunst der Verführung durch die Bedienung von Gier, Machthunger, Geltungs- und Genusssucht – ein mörderischer Mix (vgl. 1 Mose 11; Dan 1 – 4; Offb 17 + 18).

Die göttliche Alternative zum „Geist Babels“ ist der „Geist Zions“. Er zeichnet sich aus durch Gottvertrauen, Gottesfurcht, einen Respekt für die 10 Gebote und für das höchste Gebot („Liebe Gott und Deinen Nächsten wie Dich selbst“) sowie für die Offenbarungen und Gaben, die Gott durch Israel den Menschen für ein gesegnetes Zusammenleben gegeben hat. Nun stehen die Völker vor der Wahl: Folgen sie dem Geist Babels oder dem Geist Zions? Diese Wahl hat Gott selbst den Völkern vorgelegt.

Wir erinnern uns: Nach der babylonischen Rebellion (Turmbau zu Babel) hat Gott zweifach Gericht geübt. Einerseits zerstreute er die Völker, andererseits verwirrte er ihre Sprache. Doch danach bot Gott als dritten Schritt einen erlösenden Ausweg an: Er berief Abraham. Als Quelle des Segens für alle Völker. Nun haben die Völker die Wahl: Babel (1 Mose 11) oder Zion (1 Mose 12)!

„Und ich will dich zu einem großen Volk machen und dich segnen und deinen Namen groß machen, und du sollst ein Segen sein. Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf der Erde!“ (1 Mose 12,2+3)

Gott möchte alle Völker segnen! Aber die Voraussetzung dafür ist, dass die Völker Gottes Wahl, also Gottes auserwähltes Volk, ehren und respektieren. Die damit verbundene Demut und Gottesfurcht entkräften den Geist Babels über den Völkern, so dass sich Gottes Angesicht den Völkern segensvoll zuwendet.

Die Hure Babels oder das neue Jerusalem

Am Ende der Geschichte spitzt sich dieser Konflikt nochmals zu. Davon lesen wir in den Kapiteln 17 – 21 des Buches Offenbarung. Kapitel 17 schildert die antichristliche, synkretistische Völkerallianz und Weltregierung im Geist der „Hure Babel“ in voller Blüte und Entfaltung. Regierungen verbünden sich unter diesem Geist und bilden gemeinsam ein antichristliches Weltsystem. Das Wirtschaftssystem spielt dabei eine zentrale Rolle, aber auch die Kunst und die Kultur, und es wird eine Art synkretistische Weltreligion unter der Leitung des „Propheten“ geschaffen.

Nach dem vollzogenen Gericht über Babel, über das Biest, den Propheten, die Generäle und alle mit ihnen verbundenen Menschen (Offb 18 + 19) bricht das messianische Königreich an (Offb 20). Dieses endet wiederum mit einer letztendlichen Scheidungs- und Entscheidungsphase (Offb 20,7-15). Danach kommt das neue Jerusalem vom Himmel auf die Erde (Offb 21). Zum Schluss, in Offenbarung 22, macht Jesus persönlich nochmals kund, in welcher Autorität und in welcher Identität er die Inhalte in der Offenbarung vorhergesagt hat, nämlich als Nachkomme Davids:

„Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt, um euch diese Dinge für die Gemeinden zu bezeugen. Ich bin die Wurzel und der Spross Davids, der leuchtende Morgenstern.“ (Offb 22,16)

Was auf Völkerebene in 1 Mose 8 – 12 begonnen hat, findet in Offenbarung 17 – 22 seinen Abschluss und seinen Übergang in ein neues Zeitalter. Das große Ziel ist eine erlöste weltweite Gemeinschaft aller Völker, erkauft durch das Blut des Lammes, das zugleich der Löwe aus dem Stamme Juda und Nachkomme Davids ist (Offb 5).

Die gemeinsame Berufung Israels und der Christenheit

„… und wir werden herrschen auf Erden“ (Offb 5,10). Mit diesen Worten wird die Kernberufung Israels und der Gemeinde Jesu ausgesprochen. Durch die Menschheits- und Völkergeschichte hindurch sind wir gemeinsam berufen, in einer abgefallenen, leiderfüllten Welt eine Erlösungsgemeinschaft und ein Segen zu sein. Im messianischen Königreich werden wir dann an der Seite des Messias als königliche Priesterschaft unsere letztendliche Berufung antreten und herrschen auf Erden.

Die Berufung Israels zu einer königlichen Priesterschaft ist im Kontext der Gesetzgebung auf dem Berg Horeb ausgesprochen:

„Wenn ihr nun wirklich meiner Stimme Gehör schenken und gehorchen werdet und meinen Bund bewahrt, so sollt ihr vor allen Völkern mein besonderes Eigentum sein; denn die ganze Erde gehört mir, ihr aber sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein!“ (2 Mose 19,5+6)

Die Berufung der weltweiten Gemeinde Jesu zu einer königlichen Priesterschaft ist im 1. Petrusbrief ausgesprochen:

„Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk, ein Volk des Eigentums, damit ihr die Tugenden dessen verkündet, der euch aus der Finsternis berufen hat zu seinem wunderbaren Licht.“ (1 Petr 2,9)

In der Kirchengeschichte, im Rahmen der sogenannten „Ersatztheologie“, ist man weitgehend davon ausgegangen, dass die Christenheit Israel in der priesterlichen Berufung nachgefolgt ist, Israel also ersetzt und abgelöst hat. Doch wenn man die Bibel als Einheit versteht und begreift, dass im Buch der Offenbarung sich das vollendet, was im ersten Buch Mose begonnen hat, sehen wir das ganze Bild: Israel und die Christenheit teilen diese Berufung gemeinsam zum Segen für die Völkerwelt! Dies allerdings unter der Voraussetzung, dass Israel seinen Bund hält und dass die Christenheit in der Gnade bleibt, die Gott uns erwiesen hat. Wo Israel und die Christenheit diese Voraussetzungen nicht erfüllen, sind beide zur Buße gerufen.

Für uns Christen wird das im Römerbrief konkret gemacht:

„Wenn aber etliche der Zweige ausgebrochen wurden und du als ein wilder Ölzweig unter sie eingepfropft bist und mit Anteil bekommen hast an der Wurzel und der Fettigkeit des Ölbaums, so überhebe dich nicht gegen die Zweige! Überhebst du dich aber, [so bedenke]: Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich! […] Sei nicht hochmütig, sondern fürchte dich! Denn wenn Gott die natürlichen Zweige nicht verschont hat, könnte es sonst geschehen, dass er auch dich nicht verschont.“ (Röm 11,17-21)

Hier spricht Paulus deutlich aus, dass die Christenheit von der gleichen Gefährdung bedroht ist wie die Völker ohne Gott: Sich über das jüdische Volk zu überheben, um den eigenen Namen groß zu machen anstatt den Namen Gottes. Die Konsequenz ist Gericht, also die Abwendung von Gottes gnädigem Angesicht. Wo solche Überhebung stattgefunden hat oder stattfindet, sind wir Christen aufgefordert, umzukehren.

Berufen zum königlichen Priestertum

Was heißt all das nun für uns Christen? Das Wichtigste ist, dass wir uns vom Geist Babels (und damit auch von der Ersatztheologie) abwenden, indem wir von Herzen Buße tun, den entgegengesetzten Weg einschlagen und uns für Zion entscheiden. Wir erfüllen unsere Berufung Richtung Israel, indem wir Israel trösten und segnen, indem wir für Israel beten, für Zion unsere Stimme erheben und mit Israel zusammenarbeiten. Und wir erfüllen gleichzeitig unsere Berufung als „Salz und Licht“ der Erde, als „Stadt auf dem Berge“ für unsere jeweils eigenen Völker (Mt 5,13+14). So sind wir im Geist Zions unterwegs und stellen uns damit dem Geist Babels entgegen. Zum Segen für Israel und gleichzeitig zum Segen für unser eigenes Volk.

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