Für viele Christen, die an Jesus glauben und die Bibel ernst nehmen, ist das Phänomen Israel ein großes Rätsel. Dafür gibt es viele Gründe. Zum Beispiel: Wie kann Gott angeblich ein Volk gebrauchen, das weitgehend nicht an Jesus glaubt? Wie ist es einzuordnen, dass Israel ständig im Zentrum von Krieg, Kriegsgefahr und Terror steht und nach Meinung vieler eine Bedrohung für den Weltfrieden darstellt?
Die nachfolgenden thesenhaften Gedanken wollen einige Anstöße vermitteln, die helfen mögen, diese berechtigten und nachvollziehbaren Fragen aus der Perspektive der Bibel vielleicht in einem etwas anderen Licht zu betrachten.
1) Die Einheit von Altem und Neuen Testament
Im 2. Tim 3,16 heißt es, dass das ganze Alte Testament vom Heiligen Geist inspiriert ist. Beide Testamente bilden eine viel stärkere Einheit als gemeinhin erkannt wird. Sie sind unterschiedlich – aber sie bauen organisch aufeinander auf. Im Buch der Offenbarung kommt zur Erfüllung, was im Buch Genesis begonnen hat. Die Periode dazwischen nennt sich Heilsgeschichte. Mit Abraham am Anfang, Jesus im Zentrum und dem Neuen Jerusalem – das erlöste Israel und die erlöste Gemeinde aus den Nationen (Offb 21,12-14) – am Ziel der Heilsgeschichte.
2) Der Abrahambund – die Grundlage der Heilsgeschichte
Gemäß Röm 11,26ff bildet der Abrahambund das Fundament der Berufung Israels und dieses wiederum die Grundlage für Gottes endgültige Heilsverheißungen mit Israel: „Ganz Israel wird gerettet werden.“ (Röm 11,26) Ähnliches wird von Paulus nochmals in Röm 15,8ff zum Ausdruck gebracht. Das heißt, Israel hat neutestamentlich immer noch einen zentralen Platz in Gottes historischem, auf Erlösung zielenden Heilshandeln (Heilsgeschichte).
3) Biblische Prophetie und Israel
Die Propheten des Alten Testamentes reden von verschiedenen Epochen im Handeln Gottes mit Israel. Etwas vereinfacht: Ein Zeitalter, das primär von Segen und Aufblühen bestimmt ist (das Zeitalter Davids und Salomos), dann eine längere Epoche von Gericht (babylonisches Exil und später die Zerstreuung unter alle Völker) und drittens ein Zeitalter der endzeitlichen Sammlung, Wiederherstellung und Vollendung. Jesus bestätigt diese Sichtweise in seinen prophetischen Aussagen bez. Israel, z.B. in Matth 23,37ff und in Lukas 21,24.
4) Wiederherstellung und Erfüllung
Aus dieser Perspektive ergibt sich, dass die Rückkehr der Juden in ihr historisches und von Gott ihnen für immer zugesagtes Heimatland und deren staatliche Wiederherstellung in der kollektiven Betrachtung ein Zeichen der Treue Gottes ist – und ein Meilenstein auf dem Weg der umfassenden Erfüllung gesamtbiblischer Prophetie an Israel. Da, wo wir Heil und Gottes Heilshandeln gewohnt sind, nur auf individueller Ebene zu erkennen, zu akzeptieren und zu fördern, mögen wir bereit sein, umzudenken. Gott handelt auch heute noch mit und durch Israel als Kollektiv.
5) „Hört das Wort des Herrn, ihr Nationen …“ (Jer 31,10)
Jeremia 31 beinhaltet bezüglich Israel eine der klarsten und weitreichendsten endzeitlichen Wiederherstellungsverheißungen der gesamten Bibel: Erst die äußere Wiederherstellung. Dann die geistliche Wiederherstellung. Und inmitten dieses Kapitels (Vers 10) die Aussage, dass Gottes endzeitliches Handeln an Israel eine Botschaft an die Völker enthält. Eine Botschaft, die zuerst für die Gläubigen unter den Völkern gilt („höret!“) – aber dort nicht stehen bleiben darf („verkündet!“).
Ich möchte abschließend und mit Blick auf den 70. Jahrestag der Staatsgründung des modernen Israels in meinen Worten zusammenfassen: Durch die Wiederherstellung Israels sagt Gott uns aus den Völkern:
- Ich bin der treue Gott! Was ich angefangen habe, bringe ich auch ans Ziel!
- Mein Wort ist zuverlässig! Alle Verheißungen für Israel werden an Israel in Erfüllung gehen. Alle Verheißungen für die Gemeinde werden an der Gemeinde in Erfüllung gehen.
- Ich bin der Herr der Geschichte! In allen Wirren und Abgründen, im Großen und im Persönlichen bleibe ich im Regiment!
- Ich habe meinen Namen und meine Ehre mit Israel verbunden – tastet meinen „Augapfel“ (Sach 2,12) nicht an!
- Verbündet Euch mit meinem Herzen und meiner Perspektive für mein Volk Israel: Tröste mein Volk! (Jes 40,1) Bete für den Frieden Jerusalems! (Ps. 122,6) Segne Israel, auf dass der Segen Gottes auf Dich zurückfallen möge! (Gen 12,1-3)
Israel ist noch lange nicht am Ziel. Das Gleiche gilt auch für die Gemeinde. Aber Gottes Bündnisse, seine Treue und seine Barmherzigkeit werden dafür sorgen, dass wir beide – mit den Worten Jesu – dermaleinst „… eine Herde unter einem Hirten“ sein werden (Joh. 10,16). 70 Jahre Staat Israel unterstreichen diese biblisch-heilsgeschichtliche Perspektive auf eindrucksvolle Weise und sind für uns Christen in den Nationen ein Anlass zu großer Dankbarkeit und großer Zuversicht!